Ausstellungseröffnung: Kunst als Ritual

Ausstellungseröffnung: Kunst als Ritual

Nach mehreren Einzelausstellungen von Outsider-KünstlerInnen zeigt die Österreichische Gesellschaft vom Goldenen Kreuze aktuell die Werke von drei Frauen – kuratiert von ALBERTINA MODERN-Chefkuratorin Angela Stief und begleitet von Elisabeth Kuntner, werd:art/Jugend am Werk.
Nach einer coronabedingten Verschiebung konnten wir die Ausstellung am 31. August 2021 feierlich eröffnen!

Die Österreichische Gesellschaft vom Goldenen Kreuze etabliert sich mit der bereits fünften Schau von Outsider-Kunst als wichtiger Wiener Ausstellungsraum. Nach Joseph Karl Rädler, Tim ter Wal und Anna Zemánková wurden im Sommer 2020 die Arbeiten der Britin Suzanne Treister gezeigt. Aktuell zeigen wir in Kooperation mit Jugend am Werk Bilder von Suzanne Dixon, Susanne Kuzma und Ingrid Lechner. Alle Ausstellungen wurden von Angela Stief kuratiert.

Die Ausstellung läuft noch bis Ende Februar 2022 und kann gegen Voranmeldung besichtigt werden: Telefonisch 01/ 996 80 92 oder per E-Mail gesellschaft@oeggk.at.

Es gelten die aktuellen Corona-Schutzmaßnahmen.

Kunst als Ritual

Die Rhythmen der Natur und die Kreisläufe von Tag und Nacht, Wachen und Schlafen, Ein- und Ausatmen bestimmen das menschliche Dasein. Sie verorten das Subjekt im Zyklus von Leben und Sterben, der Parallelität von bewussten und unbewussten Geschehnissen, Dingen, die wir beeinflussen können, und anderen, denen wir ausgeliefert sind. Die Dialektik von Macht und Ohnmacht, Zufall und Kontrolle oszilliert in den kreisenden Bewegungen, von Pol zu Pol, die das Ritual bestimmen. Es positioniert sich irgendwo zwischen Gewohnheit und Zwang, transformiert sich im synthetischen Idealfall, greift nach den Sternen.

Häufig sind Rituale kulturelle Akte geprägt von automatisierten, sich wiederholenden, die Physis mit einbeziehenden Abläufen. Sie beruhigen und haben nichts mit der Modernität eines linearen Denkens und den zielgerichteten Handlungsvorgaben des Willens gemein. Zur Alltäglichkeit geworden nehmen wir sie kaum mehr wahr. Manchmal wirken sie banal, doch sind sie nicht wider die Natur. Ganz im Gegenteil: Kunst, die der Natur nicht als Antipode gegenübersteht, sondern sich im Rhythmus der Körper, Formen und Farben mit ihr verbindet, kann durch das Rituelle Stabilität und Struktur vermitteln, in magischen Kreisbewegungen das Mystische beschwören. Rituale können als die Übersetzung von natürlichen Prozessen in kulturelle Praxis verstanden werden. Sie manifestieren authentisches Handeln, zeichnen sich aus durch Selbstgenügsamkeit und fortlaufende Permanenz.

Künstlerinnen wie Suzanne Dixon, Susanne Kuzma und Ingrid Lechner verbindet die kontinuierliche, künstlerische Betätigung, eine ästhetische Hingabe und Widmung ohne akademische Ausbildung. Sie üben und verbessern sich. Sie folgen weder schnelllebigen Trends und den Moden des Marktes noch Vorbildern und dem Wissen um die Kunstgeschichte. Sie vertreten eine Obsession, ihre eigene Mission.

Fotos der Eröffnung am 31. August, bei der die 3G-Regel galt: © Katharina Schiffl

Zu den Künstlerinnen

Suzanne Dixon

Suzanne Dixon (geb. 1972) beschäftigt sich mit vergangenen Zeiten und fernen Epochen. Schon als Kind begegnete sie durch ihre Mutter, die Archäologin ist, (prä-) historischem Kulturgut. Ins-besondere Artefakte, die zu repräsentativen Zwecken entstanden sind, faszinieren sie. Dixons Figurenbilder beziehen sich sowohl auf österreichische Adelsdynastien aus dem Barock, dem Rokoko und der Biedermeierzeit als auch auf gegenwärtige Staats- und Stadtoberhäupter. Im Mittelpunkt der Bunt- und Filzstift-Zeichnungen in DIN A4 und A3-Formaten, die wie Schautafeln in einem Museum wirken, stehen Herrscherinnen, deren ornamental verzierte Gewänder, Accessoires und Gebrauchsutensilien: Das reicht von einer Kurfürstin über eine Markgräfin bis zu einer Hinterhofmadonna. Meist ist ihr Haupt bekrönt. Das Design der bunt gemusterten Kleider erinnert in der detaillierten Ausführung und der präzisen Setzung von Punkten und Farbflächen an die kleinformatigen Stickereien der Künstlerin, die sie in einem Künstlerbuch gesammelt hat.

Susanne Kuzma

Susanne Kuzma (geb. 1966) malt Landschaften in Farben, die froh machen. Die Künstlerin abstrahiert von fotografischen Vorlagen, die sie inspirieren, indem sie etwa Horizont, Wiese und Acker in Streifen und bunte Schachbrettmuster auflöst. Die letztendlich doch gegenständlichen Bilder werden aus Quadraten, motivischen Wiederholungen und Streifen konstruiert. Es entstehen ornamentale Musterbilder, die die Oberfläche betonen. Wolken ähneln Kritzeleien mit farblichem Verlauf, Natur wird verfremdet, stilisiert und fantastisch überhöht: Blumen, Bäume und Tiere scheinen einem freien Reich der Imagination zu entspringen und weisen nur eine vage Ähnlichkeit mit der Realität auf. Kuzma folgt einem künstlerischen Programm, das sich dem Schönen verschrieben hat. Ihre schematisierten Formen sind einer unverkünstelten Herangehensweise geschuldet. Die Harmonie der Ordnung darzustellen ist nicht das Ziel der Künstlerin, stattdessen inszeniert sie immer wieder Fehler und Regelbrüche.

Ingrid Lechner

Frösche, Papageien, Eulen, Schmetterlinge und Chamäleons sind typische Bildmotive von Ingrid Lechner (1972). Eingebettet in eine in vielen Grüntönen schillernde Fauna versammelt sich auf den Papierarbeiten eine exotische Tierwelt, animalische Fantasiewesen und Raubtiere, die Flügel haben, präsentieren sich stolz unter einem Himmel aus bunten Girlanden. Eine Horde von ordinären Hauskatzen stellt Lechner vor einer Herzchentapete dar. Das eine Mal als Masse, das andere Mal fein säuberlich arrangiert oder aufgestellt in Reih und Glied. Bevor sie zu arbeiten beginnt, studiert Lechner Bücher und Fotografien und übersetzt dann die von ihr ausgewählten Darstellungen in eine flächige Formensprache. Das realitätsgetreue Abbild der Wirklichkeit war für die Künstlerin noch nie von Interesse. Mit der ausgeprägten Ornamentik, den schrillen Farbwirbeln, die häufig die statische Komposition dynamisieren, muten die Werke häufig psychedelisch an. Die Verschränkung von Farben und Formen beherrscht die Farbstiftzeichnungen genauso wie der Fokus auf Tierdarstellungen. Konventionelle Bildordnungen will Lechner aushebeln und dreht während des Arbeitsprozesses immer wieder den Bildträger, um die Hierarchien von oben und unten, links und rechts zu relativieren.